Beitrag für die Frauenkirchenzeitschrift: Leben in der Frauenkirche Ausgabe für Januar-April 2023
Die alte Heimat verlassen
1992 habe ich gemeinsam mit meiner Frau und unseren beiden Kindern meinen Heimatort im mittelfränkischen Ansbach verlassen und bin nach Dresden gezogen. Wir haben diesen Schritt bis heute nicht bereut. Zwei Gründe gab es damals für diese Neuorientierung: Mein Schwiegervater, der als gebürtiger Dresdner noch vor dem Mauerbau nach Westdeutschland ging und über die DDR-Zeit hinweg freundschaftliche Kontakte nach Dresden pflegte, an die wir unkompliziert anknüpfen konnten. Der zweite Grund lag in meinem Beruf begründet, der mir damals die Möglichkeit eröffnete, die Werkstatt der Dombauhütte der Dresdner Hofkirche zu übernehmen, um sie privat weiterzuführen. Relativ zeitgleich eröffnete sich die Möglichkeit am Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche mitzuwirken. Prof. Dr. Magirius vermittelte damals den ersten Kontakt zur Stiftung Frauenkirche und mit Hilfe von Dr. Hans Joachim Jäger konnte eine erste Wohnung in Dresden gefunden werden, was zu dieser Zeit alles andere als einfach war.
Mitwirkung am Wiederaufbau Frauenkirche
Nach Fertigstellung bereits begonnener Arbeiten an der Dresdner Hofkirche wurde ich bereits 1992, während der Enttrümmerungsphase an der Frauenkirche mit der bildhauerischen Rekonstruktion einer der vier Treppenturmbekrönungen betraut. Grundlage zur Rekonstruktion dieses markanten Architekturteils waren historische Fotos und Fragmente, die im Trümmerberg gefunden wurden. Die fertige „Flammenvase“ stand dann ab 1993 während der gesamten Bauzeit als Zeichen des Wiederaufbaus an der Baustelle, bis sie 2005 schließlich ihren Platz auf dem Treppenturm E einnahm. Wie diese Arbeiten damals von statten gingen habe ich auf meiner Firmenseite: vogel-bildhauer.de ausführlich dokumentiert.
Im Jahr 1997 folgte eine weitere Arbeit für den Wiederaufbau der Frauenkirche: Die Stiftung beauftragte einen Kollegen und mich mit der steintechnischen Planung des Treppenaufgangs des Turmes C. Bei dieser allerersten Detailplanung wurden sämtliche Einzelheiten, wie Steinschnitte, Profilierungen, Oberflächenbearbeitung etc. festgelegt, die dann für die Wiederherstellung der drei weiteren Treppenhäuser maßgeblich waren. Da die Termine sehr eng lagen, fertigten wir oft bis tief in die Nacht hinein Aufrisse, Schablonen, Arbeitsskizzen, Versetzpläne, Stücklisten und Werkzettel – alles noch ohne Computer.
Vom Baulichen zum Erbaulichen
Neben meinem beruflichen Interesse für Baukunst und Kunstgeschichte, gilt meine persönliche Faszination auch der Musik, der bildenden Kunst, der Lyrik und besonders den Inhalten der Botschaft Jesu. Dazu habe ich 2009 ein Buch mit dem Titel: ESSENZEN – Die Botschaft Jesu veröffentlicht. Unter der Adresse christophilos.de betreibe ich einen Blog in welchem ich eigene Lyrik, Lieder und geistige Impulse zu dieser Thematik veröffentliche.
Interessant finde ich in diesem Zusammenhang, dass sich die Bibel der Begriffe vom Bauen und Wohnen als Sinnbilder bedient. So heißt es in Psalm 118,22 „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.“ Ein Text, den Jesus aufgreift und ihn auf die Ablehnung seiner Person bezieht. Die ersten Christen griffen diese Metapher auf, und so schreibt Paulus in 1. Kor 3,11: „Alle, die auf ihn, den „lebendigen Stein“ vertrauen, werden nicht zugrunde gehen.“ Und Petrus schreibt: „Lasst euch selbst als lebendige Steine zu einem geistigen Haus erbauen…“ 1. Petr 2,5
Heimat – Ort menschlicher Sehnsucht
Die Begriffe: Haus, Heimat und Wohnung, als Orte des Rückzugs, des häuslichen Glücks und der Sicherheit, finden sich bei Jesus sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn. So, wenn er einerseits seine eigene Heimatlosigkeit beklagt: „Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.“ Mat 8,20. Und andererseits metaphorisch, wenn er unsere geistige Heimat in Sinnbildern von Haus und Wohnung als transzendenten Ort beschreibt: Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen, wenn’s nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? Joh 14, 1-3. Diese Definition von Heimat, jenseits sinnlicher Wahrnehmung, mag vielleicht beunruhigen, da sie dem diesseitigen Heimatbegriff nicht gerecht wird. Doch andererseits müssen wir uns, angesichts der Unwägbarkeiten des Daseins und dem Wissen um unsere Sterblichkeit eingestehen, dass es so etwas wie eine verbriefte Heimat in dieser Welt nicht gibt. In der Konsequenz dieses Gedankens schrieb Paulus „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ Hebr 13,14.
Mein persönlicher Begriff von Heimat
Auf Basis des christlichen Gedankens verstehe ich für mich daher den Begriff der Heimat nicht so sehr im geografischen Sinn, sondern vielmehr als etwas, das „abhängig“ ist von meinem persönlichen Empfinden. Für mich ist es die Empfindung an einem Ort, erwünscht, gebraucht und willkommen zu sein. Eben das habe ich mit meiner Familie hier in Dresden erfahren dürfen und wir erfahren es bis heute. Diese Erfahrung hat mich in dem Glauben bestärkt, dass es vor allem diese Empfindung ist, die uns „fremde“ Orte zur Heimat werden lässt. Oder wie die Lateiner sagten: UBI BENE IBI PATRIA!
Elmar Vogel am 21. Oktober 2022